Das Problem mit den Soft Skills

Ausgangspunkt

Das Wissen der Mitarbeiter gehört zu den wertvollsten Ressourcen eines Unternehmens. Das sich zur Administration anbietende System heißt Skill Management. Es hat folgende Grundzüge:

Die in den Anforderungsprofilen beschriebenen Kompetenzen werden oft unterschieden nach fachlicher und persönlicher bzw. sozialer Kompetenz. Während unter fachlicher Kompetenz im Wesentlichen zu beherrschende Wissensgebiete aufgezählt werden (Sprachkenntnisse, Kenntnisse der verschiedenen Produkte, der Prozesse, Umgang mit den IV-Systemen), beschreiben die weiteren Anforderungen sogenannte soft skills, oft auch besondere Anforderungen an die Führungskräfte.

Sorgenkind Soft Skills

Diese sind z.B. unterteilt in Persönliche Kompetenz, Sozial-/Führungskompetenz, Unternehmerische Kompetenz, Intellektuelle Kompetenz. Beispiele:

Gemessen werden die Ausprägungen dieser Kompetenzen durch Beantwortung von Items wie:

und so weiter.

Was hier beschrieben wird, erinnert an die aus Zeugnissen bekannten Floskeln und betrifft sicher wünschenswerte Eigenschaften, Fähigkeiten oder Verhaltensweisen. Das Problem liegt darin, wer dies zu beurteilen hat und wie dies beurteilt wird. Es stellt sich die Frage, ob die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen so weitgehend zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses gemacht werden darf.

Die Führungskräfte sollen nach dem meisten Skill Management-Konzepten in einer Art persönlichem Entwicklungsgespräch die entsprechenden Feststellungen treffen. Andere Variante: Mitarbeiter füllen die Bögen selbst aus und erörtern das Ergebnis dann mit ihrem Vorgesetzten.

Was hier abverlangt wird, sind Urteile über Menschen, subjektive Meinungen also, die sich in dem konkreten Zusammentreffen zweier Personen gebildet haben. Der Vorwurf heißt hier nicht, dass Objektivität verfehlt würde. Denn Objektivität kann es an dieser Stelle nicht geben; hier geht es um eine Bewertung von Erfahrungen, nämlich wie zwei Menschen sich in einer konkreten Arbeitssituation erleben.

Wie eine Person eine andere erlebt, hängt von beiden Personen, der Umgebung und sicher vielem mehr ab. Was die eine Führungskraft als hohe Lernfähigkeit, emotionale Ausgeglichenheit usw. bewertet, kann eine andere Person ganz anders erlebt haben und folglich auch ganz anders bewerten. Ein Gespräch mit den angesprochenen Fragestellungen mag angehen als Anregung, miteinander zu reden und Verständnis für verschiedene Sichten der Dinge zu entwickeln. Es ist aber nicht geeignet, um das Ergebnis auf einer drei- oder sechspunktigen Skala festzuhalten und am Ende zu einer Gesamtzahl zu addieren, wie das fast alle Modelle vorsehen.

Sehen wir uns noch an, was eine Firma unter "Sozialer und Führungskompetenz" vermessen will. Die Koordinaten heißen dann zum Beispiel:

Die Werteorientierung soll mit Items wie

"Denken und Handeln stimmen im Sinne der gültigen Wertekultur des Unternehmens überein"

gemessen werden. Eine Leitfadenhilfe zur Beurteilung der Konfliktfähigkeit liefert die Fragestellung:

Mitarbeiter "versteht Konflikte als Chance, geht dem Konflikt nicht aus dem Weg, löst Konflikte konstruktiv, ohne faule Kompromisse einzugehen".

Nichts gegen die Fragestellung. Aber wann gehe ich einem Konflikt aus dem Weg, und wann wird dasselbe Verhalten als kluges, taktvolles Vorgehen gewertet? Mit Nachdruck wird zwar darauf hingewiesen, dass es sich nicht um Beurteilung handeln soll, sondern um Feedback. Aber aufgeschriebenes Feedback unterscheidet sich nur durch das sprachliche Etikett von einer Beurteilung, zumal die Skill-Kategorien meist mit Skill Level hinterlegt sind, etwa nach Schulnoten oder manchmal nur bescheidener nach den drei Stufen kennen - können - beherrschen.

Besonders problematisch wird es, wenn nach sog. unternehmerischen Kompetenzen gefragt wird. Die Beschäftigten schützen sich vor dem Widerspruch zwischen den aufrüttelnden Sei-Unternehmer-Parolen und der strukturellen Unmöglichkeit unternehmerischen Handelns oft durch Flucht in die Gleichgültigkeit oder machen ihre Witze über das System und finden Wege, das im Kern seiner Sache nicht überzeugende System zu untertunneln.

Technische Realisierung

Die Softwarehersteller unternehmen große Werbeanstrengungen, ihre Lösungen den Unternehmen zu verkaufen. In den gängigen Programmen werden beschrieben:

und wenn man will, das alles als Profilabgleich oder in historisierter Form, so dass man auch die Veränderung der Skill-Ausprägungen (oder Beurteilungen) auf der Zeitachse bewundern kann.

In der Produktwerbung des Marktführers SAP heißt es dazu, dass insbesondere die Qualifikationsplanung Unterstützung erfahren soll. Auf Knopfdruck weiß dann das Unternehmen:

Und die angestrebten Ergebnisse sollen dann Antworten auf die folgenden Fragen sein:

Diesen vermeintlich guten Absichten ist - neben der Feststellung, dass es sich um mit sechsstelligen Euro-Beträgen zu bezahlende Illusionen handelt - einiges an grundsätzlicher Kritik entgegenzusetzen.

Kritik der Umsetzungen

Zur Erfassung der Skills wird ein IV-technisch fixierter Begriffskatalog verwendet. Dieser ist an der Vergangenheit - bestenfalls der Gegenwart - orientiert, soll aber Rückschlüsse auf den Qualifikationsbedarf der Zukunft zulassen. Die Beschreibung des Mitarbeiterwissens wird sozusagen auf einen Stichtagsstand eingefroren. Der Bedarf der Zukunft wird mit den Anforderungen der Vergangenheit gemessen.

Kenntnisse, die nach der Aufnahme ins System neu erworben wurden, müssten nachgetragen werden. Dies ist in der Praxis aber meist nicht der Fall. Das Kategoriensystem müsste laufend überprüft und ggf. erweitert werden. Wenn dies geschehen würde, dann müsste für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt werden, ob die neuen Kategorien auf sie anzuwenden sind. Dies erfolgt aber in der Praxis nicht.

Die Profilabgleiche begünstigen diejenigen Beschäftigten, deren Ausbildung und beruflicher Werdegang sich an der statistischen Normalität orientieren. Quereinsteiger haben nur geringe Chancen, da sie die im System dokumentierten Anforderungen meistens nicht erfüllen.

Das Verfahren mag für rein fachliche und streng methodische Skills angehen, wird aber hoch problematisch bei den auf Verhalten bezogene Soft Skills. Gerade letztere sind nur schwer messbar; die Bewertungen sind Beurteilungen, werden aber nicht als solche ausgegeben.

Was vor allem in der schneller als sich früher verändernden Welt gefragt ist, sind Initiative und Anpassungsfähigkeit. Skill-Management-Systeme laufen Gefahr, zu einem technokratischen Werkzeug zur Verwaltung von Qualifikationsprofilen reduziert zu werden. Um vor dem Hintergrund der veränderten Unternehmensziele aber erfolgreich zu sein, müssten Initiative und Lernen auf breiter Front gefördert werden, Lernen als nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der täglichen Arbeit. Wenn das gelingen soll, dann braucht es eine initiative- und lernfördernde Atmosphäre, sozusagen als wichtiges, wenn nicht wichtigstes Merkmal der Unternehmenskultur.

Verwaltete Menschen aber sind selten initiativ. Statt der geplanten datenbankgestützten Skill-Registratur wäre es förderlicher für die Unternehmensziele, wenn eine offene Kommunikationskultur aufgebaut würde, vielleicht mit folgenden Merkmalen:

Die für eine optimale Arbeit erforderliche Informationen werden ohne eng gezogene, restriktiv vergebene Zugriffsrechte freizügig und in leicht verständlicher Form an jedem Ort der Arbeit verfügbar gemacht. Jeder kann alles wissen, was sie oder er braucht. Die geeignete technische Plattform dafür sind Info-Systeme innerhalb des unternehmensinternen Intranets.

Führungskräfte müssen lernen, ihr Wissen nicht zu "bunkern", sondern andere darin zu unterstützen, wie man sich schnell und elegant zurechtfindet, Nachhilfe in Navigation: Sie werden Scouts, Moderatoren, Coaches oder Trainer.

Statt Mitarbeiterkenntnisse zu katalogisieren, die morgen schon die Fähigkeiten von gestern beschreiben, sollte nach Systemen gesucht werden, mit deren Hilfe unternehmensweit bekannt gemacht wird, welche interessanten Aufgaben wo gelöst werden sollen. Ein solcher "Marktplatz der Möglichkeiten" würde es den Mitarbeitern erleichtern, sich für die ausgeschriebenen Aufgaben bewerben zu können. Wenn man ihnen darüber hinaus noch etwas Gutes tun will, dann kann man ihnen eine Art Mini-Assessment anbieten, damit sie für sich selber besser herausfinden, wo in Bezug auf die anstehenden Aufgaben ihre Stärken und Schwächen liegen und was getan werden kann, um die Schwächen zu überwinden, als individuell mit jedem Betroffenen vereinbarte Maßnahme.

Zusammengefasst: Menschen verlieren ihre Motivation, wenn sie verwaltet werden. Ihnen sollten lieber Möglichkeiten eingeräumt werden, selber Initiative zu entwickeln. Dies sollte vor dem Hintergrund eines breiten Konsenses über die Unternehmensziele erfolgen, und das geht nur über eine offene Kommunikations-Kultur, in der das Unternehmen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich signalisiert, dass es sie als Menschen achtet und als Menschen fordert, aber nicht nur fordert, sondern ihnen auch die notwendige Unterstützung gewährt, um auch hochgesteckte Ziele zu erreichen.

Praxisbeispiel

Skill Management-Systeme enthalten in der Regel eine Vielzahl von sensiblen persönlichen Informationen, deren Erhebung allein durch den Anspruch, das Arbeitsverhältnis zu verwalten, rechtlich nicht gerechtfertigt sind.

Sie können daher kaum mit Erfolg gegen den Willen der Beschäftigten eingeführt und betrieben werden.

Hinzu kommt, dass sie wegen ihrer umfassenden Eignung zur Überwachung des Arbeitnehmerverhaltens den Tatbestand der Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) erfüllen. Daher wird das Unternehmen nicht umhin kommen, mit seinem Betriebsrat eine entsprechende Betriebsvereinbarung abzuschließen. In einer solchen Regelung könnten die folgenden Grundsätze festgelegt werden:


Beispielhafte betriebliche Regelungen: Kompetenzmanagemenet in einem Automobilkonzern, traditionelle Regelung in einem Mobilfunktunternehmen